Teilprojekt 5: Intermediale Aktionsräume geistlicher Performanzen. Bittprozessionen als medienkombinatorische Praktiken im süddeutschen Katholizismus
Das Teilprojekt behandelt anhand süddeutscher Beispiele eine hochgradig intermediale Frömmigkeitspraxis der Frühen Neuzeit, die bisher in der Forschung zu Frömmigkeit und Religiosität nicht die gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat: Bittgänge, und zwar sowohl die regelmäßigen (z. B. Rogationswoche) wie die anlassbezogenen (z. B. bei Kriegen, Unwettern und Seuchen). Die Prozession als besonderer Typus der Frömmigkeitsübung war auf das Zusammenspiel diverser Medien hin ausgerichtet; sie beinhaltete mindestens (gesprochenen) Text, Gesang sowie Bilder und sakrale Objekte (Prozessionsfahnen, Stationsaltäre etc.). Die Verbindung dieser horizontalen Medien zu einer intermedialen Einheit machte die Prozession als Ganzes zu einem Medium der vertikalen Kommunikation mit Gott. Das Teilprojekt wird die Vielfalt der Prozessionsmedien und den Medieneinsatz in seinen theologischen sowie sozialen und alltagspraktischen Bezügen analysieren. Dabei wird auf Verweisstrukturen zwischen den verschiedenen Medien geachtet werden.
Ein zentraler Gesichtspunkt bei der Analyse wird sein, dass die Prozession als intermediales Frömmigkeitsereignis stets einen performativen Charakter hat – die Intermedialität ereignet sich lediglich im konkreten Vollzug des Prozessierens. Insofern die Prozession dabei als Durchschreiten eines Raumes zu verstehen ist, wird es auch und besonders darum gehen, sowohl in theologischer wie praktischer Hinsicht auf das Moment der Itineranz besonders einzugehen: Welche Rolle hatte die körperliche Handlung des Gehens bzw. Schreitens für die Planung und Wirkung von Intermedialität?
Insgesamt geht das Teilprojekt davon aus, dass die Prozession als horizontal-intermediale Performance mit vertikalem Kommunikationscharakter, der sich besonders im Modus des Gehens vollzog, erhebliche Wirkung auf die individuelle und gemeinschaftliche Glaubenserfahrung hatte bzw. haben sollte. Unter Rückgriff auf das Forschungskonzept der „religiösen Atmosphäre“ soll dieser Frage nach intendierten bzw. erreichten „Stimmungen“ nachgegangen werden. Dabei ist dezidiert die Frage nach alternativen Erfahrungen von Prozessionen durch die Beteiligten einzugehen, z. B. deren Uminterpretation zu nichtreligiösen Zwecken (z. B. Trinkgelage) oder auch ihre Ablehnung als unbezahlter Arbeitsausfall zu bedenken.
Das TP arbeitet in enger Kooperation mit TP 3 hinsichtlich der performativen Natur der intermedialen Frömmigkeitspraxis sowie mit TP 1 hinsichtlich der Rolle von Musik im frühneuzeitlichen Mediengefüge. Die Rolle des Körpers in diesem Kontext wird gemeinsam mit TP 7 vertieft. Die Ergebnisse werden in zwei Monographien sowie Aufsätzen aller Mitwirkenden und einer Tagung mit Sammelband festgehalten.